Groß war das Interesse der SPD-Mitglieder und Gäste vergangene Woche im Gasthaus „Ritter“ in Möglingen, um mit dem Staatssekretär und Bundestagsabgeordneten Christian Lange über den Erneuerungsprozess der SPD Baden-Württemberg und die Bundestagswahl im kommenden Jahr zu diskutieren. Eingeladen hatte der SPD-Ortsverein Mögglingen. Vorsitzender und Gemeinderat, Jakob Unrath, begrüßte die Gäste und erteilte zunächst den Mitgliedern das Wort, welche gegenüber dem Abgeordneten ihre Meinungen und Fragen äußerten.
Deutlich wurde in vielen Redebeiträgen, dass die Lage der Partei inhaltliche und personelle Korrekturen erfordere. Im Bereich Leih- und Zeitarbeit sowie bei Werksverträgen müsste wesentlich mehr geschehen. „Wir brauchen in den Betrieben mehr Rechte, um gegen die ausufernden prekären Arbeitsverträge in den Unternehmen auch vorgehen zu können, ein Informationsrecht reicht nicht“, so ein Betriebsrat. Auch beim Thema Mindestlohn forderte Ortschaftsrat Dieter Richter eine deutliche Steigerung, damit Menschen von diesem Lohn leben könnten und nicht automatisch in Altersarmut fallen würden. Kreisrätin Marlies Büker aus Abtsgmünd mahnte weitere Korrekturen im Bereich HartzIV an, da der Blick hinter den offiziellen Zahlen zeige, dass Armut weiter zunehme. Klar brachten die Genossinnen und Genossen zum Ausdruck, dass die SPD sich von Angela Merkel und der großen Koalition verabschieden und andere Koalitionsmöglichkeiten anstreben müsse, um mehr sozial gerechtere Politik für die „kleinen Leute“ machen zu können. Teilweise gingen die Genossen sehr kritisch mit der Parteiführung und der Bundeseben ins Gericht. Die inhaltliche Diskrepanz zwischen aktiven Ortsvereinsmitgliedern und der handelnden Politik im Bund sei zu groß geworden. Die Jusos forderten mehr konkrete Stellungnahmen des Bundestagsabgeordneten zu bestimmten politischen Themen wie TTIP oder CETA. Der Parteivorsitzende müsse die Linie klar werden lassen, damit die Bundestagswahl ein Erfolg werden könne. „Ideale müssen eine größere Rolle spielen und die Werte der SPD stärker nach außen gelebt werden“, meinte Emilia Hummel aus Schwäbisch Gmünd. Man müsse aufhören ausschließlich kleine Schrauben zu drehen, sondern bei Fragen wie Rente und Steuergerechtigkeit große Veränderungen wagen. „Das geht mit der CDU nicht“, fasste unter Applaus ein Mitglied viele Wünsche zusammen. Ein Vorwurf ging auch dahingehend, dass man zu wenig auf die Basis höre und sich „unter Netzwerkern“ auf machtpolitische Interessen und zu wenig auf Inhalte und Wünsche in der Bevölkerung konzertiere. Alois Süß aus Leinzell kritisierte die steigende Ungleichheit in Deutschland, zu welcher die Agenda 2010 beigetragen habe. „Man kann in der Politik irren und auch Fehler machen, aber wenn man diese erkennt muss man sie korrigieren und dies auch nach außen zeigen. So erhält man Glaubwürdigkeit zurück“, so Süß. Eine weitere Anmerkung ging auf die Flüchtlingsproblematik ein und forderte dazu auf klar zu machen, sich um alle im Land zu kümmern.
Christian Lange betonte, dass er selbst in den Wahlkampf mit der Aussage gegen eine erneute große Koalition ziehen werde. „Wir müssen uns auch locker machen für neue Koalitionsmöglichkeiten.“ Dabei schloss er ein mögliches Rot/Rot/Grünes-Bündnis unter gewissen Bedingungen nicht aus. Lange unterstrich ebenfalls, dass sich die SPD klassischerweise um das untere und mittlere Drittel der Gesellschaft kümmern müsse. Der Abgeordnete begrüßte in diesem Zusammenhang den Erneuerungsprozess der SPD Baden-Württemberg. In der großen Koalition habe man einige zentrale Projekte durchführen können, aber Lange gestand zu, dass mit der CDU die großen Baustellen nicht zu machen gewesen seien. Wichtig sei, dass man inzwischen nicht mehr um die Einführung, sondern um die Höhe des Mindestlohns mit den Konservativen streiten könne, aber auch im Bereich Arbeitnehmerrechte sei man auf Kompromisse angewiesen gewesen.
Er stehe ebenfalls hinter der Aussage, dass man nach außen klar von den Korrekturen bei der Agenda 2010 sprechen müsste, weil bei allen Erfolgen auch dies zur politischen Verantwortung gehöre. Bei der Flüchtlingsfrage forderte Lange Haltung. Dies bedeute, dass man klar auf die Regeln und Gesetze der Gesellschaft hinweise, Angebote schaffe, Integration einfordere, aber sich deutlich gegen Fremdenhass und Rassismus stellen müsse. Themen für die Wahlen müssten in jedem Fall die SPD-Bürgerversicherung sowie eine lebenssichernde Rente sein.
SPD-Ortsvorsitzender Jakob Unrath fasste die Ergebnisse und Anregungen des Abends zusammen und dankte Christian Lange für das konstruktive Gespräch mit der Basis. Die Themen würden verschriftlicht und an den Parteivorstand verschickt werden. Unrath stellte nochmals mit Blick auf die Flüchtlingsthematik klar, dass die Verunsicherung in der Bevölkerung dann abnehme, wenn soziale Fragen geklärt werden würden. Man müsse weg von Niedriglöhnen und Rentenarmut. Es müsse ein breites Gefühl der Sicherheit in der Gesellschaft entstehen. Die Leute müssten davon ausgehen können, dass es mit der SPD gerechter werde und das könne man in Berlin bewirken. „Bitte nimm diese Themen mit, setze dich dafür ein und trage sie weiter“, so Unrath abschließend.