Mehr als 100 vorwiegend ältere Zuhörer haben sich gestern Abend bei einem Vortrag der Bundesjustizministerin Brigitte Zypries (SPD) über die Patientenverfügung und das Betreuungsrecht informiert. Bei ihrem Besuch im Lorcher Bürgerhaus trug sich die Politikerin in das Goldene Buch der Stadt ein.
ANGELIKA WESNER © Gmünder Tagespost 14.09.2009
Das Thema Patientenverfügung treibe viele jüngere und ältere Menschen um, betonte der Gmünder SPD-Bundestagsabgeordnete Christian Lange, der die Ministerin nach Lorch eingeladen hatte. „Wir reden über Situationen, in denen sich ein Mensch nicht mehr artikulieren und selbst entscheiden kann“, erläuterte Brigitte Zypries die Hintergründe zur Patientenverfügung und zur Betreuungsvollmacht.
Vor allem die Betreuungsvollmacht sei jedem Menschen zu empfehlen, weil in diesem Schriftwerk die Rechtsgeschäfte über eine bevollmächtigte Person geregelt werden, so die SPD-Politikerin. Die in der Betreuungsvollmacht festgelegte Person ist berechtigt, alle notwendigen Alltagsentscheidungen zu treffen, die der Betroffene selbst nicht erledigen kann, weil er beispielsweise im Wachkoma liegt oder unter starker Demenz leidet. „Es gibt in Deutschland keinen Bevollmächtigen kraft Gesetzes“, betonte die Bundesjustizministerin. Weder Ehepartner noch Kinder können entscheiden, ob beispielsweise das Auto verkauft werden oder der Betroffene besondere Pflegemaßnahmen erhalten soll. Auch die Umleitung der Post oder die Abbestellung der Zeitung können ohne Betreuungsvollmacht nicht von Dritten vorgenommen werden. Gibt es keine solche Vollmacht, wird ein Beistand von Amts wegen durch ein Gericht bestimmt. Werde dafür eine ehrenamtliche Betreuungskraft bestimmt, könne diese nicht unbedingt im Sinne des Betroffenen entscheiden, weil sie diese Person nicht kenne. Zypries empfahl, beim Ausfüllen der Betreuungsvollmacht alle Vorstellungen und Wünsche gemeinsam mit der ausgewählten Vertrauensperson durchzusprechen. Eine notarielle Beurkundung des Schriftstücks sei nicht zwingend erforderlich, so die Ministerin.
Während die Betreuungsvollmacht die Rechtsgeschäfte regelt, wird in der Patientenverfügung die medizinische Behandlung festgelegt. „Wer sich nicht artikulieren kann, wird vom Arzt immer lebenserhaltend und lebensverlängernd behandelt“, begründete Brigitte Zypries. Deshalb werde in der Patientenverfügung ein Gesundheitsbevollmächtigter bestimmt, der genau wissen müsse, ob die betroffene Person beispielsweise dauerhaft beatmet oder künstlich ernährt werden möchte – wohl wissend, dass der Verzicht auf diese Behandlung über kurz oder lang zum Tod führen wird. „Wenn man will, dass der eigene Wille umgesetzt wird, muss man ich die Mühe machen, diesen Willen aufzuschreiben“, so Zypries. Wichtig sei, dabei medizinische Aspekte zu berücksichtigen. Die Patientenverfügung sollte alle zwei Jahre durch eine Unterschrift und ein aktuelles Datum auf den neuesten Stand gebracht werden, empfahl sie. Ein Widerruf sei zwar mündlich möglich, zur Sicherheit sollte man jedoch das Schriftstück lieber zerreißen und eine neues anfertigen.
© Gmünder Tagespost 14.09.2009