An vielen Stellschrauben drehen

Veröffentlicht am 13.05.2012 in Ortsverein

Quelle: http://www.gmuender-tagespost.de/detail-image.php?aid=614095&iid=0

Weniger Bürokratie im Gesundheitswesen, mehr Geld für Hausärzte und Pflegekräfte, mehr Zeit für die Patienten. Erleichterungen für junge Mediziner, die eine Praxis auf dem Land übernehmen möchten. Vorschläge, wie die ärztliche und pflegerische Versorgung rund um den Rosenstein auch in der Zukunft sichergestellt werden kann – wenn es nach den Teilnehmern einer Podiumsdiskussion am Donnerstag in Böbingen ging.
© Gmünder Tagespost 11.05.2012

Böbingen. Schade, dass der sonst gut moderierende Gerhard Böhm die Patientenbeauftragte Elisabeth Stanislowski, die auch am Podium saß, nichts fragte. Sonst hätten die rund 50 Besucher vielleicht erfahren, was sich Patienten vom Gesundheitswesen wünschen.
So blieben die Profis unter sich: die Ärzte, Pfleger, Krankenkassenvertreter und Politiker. Sie beschäftigten sich mit der Frage, was zu tun ist, damit es keinen Versorgungengpass gibt, wenn, wie der Hausarzt Dr. Peter Högerle erklärte, in den nächsten zehn Jahren 60 Prozent der Hausärzte im Raum Rosenstein in Ruhestand gehen. Er prophezeite, es werde schwer, Nachfolger zu finden. Hausärzte plage der große bürokratische Aufwand, die ungewisse Honorierung, der verhältnismäßig schlechte Stellenwert des Hausarztes und, weil mittlerweile 70 Prozent der Medizinstudenten Frauen seien, die Probleme, Beruf und Familie unter einen Hut zu bringen.
Dem pflichtete Dr. Manfred Wiedemann, Chefarzt an der Stauferklinik bei – weswegen viele der teuer ausgebildeten Ärzte ins Ausland abwanderten. Hinzu komme, dass der rastlos schaffende, immer zu erreichende Hausarzt ein Auslaufmodell sei. Bei jüngeren Kollegen gehe die „work-life-Balance“ mehr in Richtung „life“ – wie allgemein in der Gesellschaft. Weil dies so sei, gelte es Strukturen aufzubauen, die dem und den Patienten Rechnung trügen. Ein Schritt sei etwa die Notfallpraxis, die es seit kurzem an der Stauferklinik gebe und die Ärzten helfe, weniger oft Nacht- und Wochenenddienste bestreiten zu müssen.
„So viele Ärzte wie noch nie“ gebe es zurzeit in Deutschland, hielt Josef Bühler, Chef der AOK-Ostwürttemberg dem entgegen. Allerdings seien sie falsch verteilt. Honorierung der Hausärzte sei ein Thema. Die Kassenärztliche Vereinigung könnte da zugunsten der Hausärzte eingreifen. Stellschrauben sieht Bühler mehrere: So gebe es starre Regelungen der Stände, ein kompliziertes Zulassungsrecht und zu viel Bürokratie. Da sei auch die Politik gefragt.
Dass momentan die Versorgung im Raum Rosenstein gut sei, stellte der CDU-Landtagsabgeordnete Dr. Stefan Scheffold fest. Allerdings bringe die bevorstehende Ruhestandswelle auf der einen und der demographische Wandel auf der anderen Seite die Politik in Zugzwang. Die könne handeln. Indem sie etwa Ärzten, die im ländlichen Raum wirken, einen Bonus gebe. Auch Kommunen oder Landkreise könnten etwas tun: Indem sie jungen Ärzten günstig Räume zur Verfügung stellten.
Die große Politik müsse sich Gedanken machen, wie Beruf und Familie unter einen Hut zu bringen sind – angesichts dessen, dass immer mehr Mediziner Frauen sind. Scheffolds Landtagskollege Klaus Maier (SPD) regte an, auf die Stärken im Kreis zu setzen. Es gebe drei Krankenhäuser. Das seien zugleich drei Ausbildungsstellen für Ärzte. Und zwei weitere Möglichkeiten, Notfallpraxen einzurichten.
Es müssten mehr Möglichkeiten für die Betreuung von Kindern geschaffen werden. Neue Gesetze müssten genutzt werden, etwa das Versorgungsstrukturgesetz. Auch müsse das Bewusstsein geschärft werden.
Jutta Krauß, Leiterin der Johanniter-Pflegehäuser im Raum Rosenstein, sagte, dass es immer schwerer werde, Pflegekräfte zu bekommen, obwohl mehr benötigt würden. Sie kritisierte, dass in der Pflege viel Zeit und viel Geld darauf verwendet werde, zu dokumentieren und zu prüfen. „Wir prüfen uns zu Tode,“ schimpfte sie. Wiedemann sah dies im Klinikbereich ähnlich, sprach gar von „Bespitzelung“ durch den medizinischen Dienst der Krankenkassen. Er beschäftige extra Personal dafür, eine „Vergeudung von Resourcen“ sei dies.
Dem widersprachen Bühler, Maier und Scheffold. Leistungen müssten dokumentiert werden, sonst sei dem Missbrauch „Tür und Tor“ geöffnet, sagte etwa Scheffold. Allerdings gebe es Doppelstrukturen, wenn Kasse und Heimaufsicht dasselbe prüften, wie Krauß monierte. Alle Teilnehmer waren sich einig, dass die Bürokratie überprüft werden und, wo möglich, erleichtert werden solle.
Ideen, wie dem Ärztemangel auf dem Land abgeholfen werden kann, gab’s von Maier, der in Richtung von Ärztehäusern dachte, und von Wiedemann, der vorschlug, die Städte sollten Praxen einrichten, Ärzte, die „nur Medizin“ machten, anstellen, Fachkräfte ebenso, die sich um Dokumentation und Management kümmerten. Die Ärzte könnten die Zeit arbeiten, die sie wünschten, hätten Feierabend und Zeit für die Familie: „Flexible Strukturen, schlanke Einheiten, das funktioniert.“
Diskutiert wurde nach einer Frage aus dem Publikum darüber, warum das Gesundheitswesen so teuer geworden sei. Dies liege zum einen daran, dass die Menschen älter werden und ältere Menschen aus gesundheitlicher Sicht teurer seien, sagte Wiedemann. Es liege aber auch an den Patienten, die anspruchsvoller geworden seien und den Hochleistungsmedizin verlangten. Der Schweizer gehe im Schnitt viermal im Jahr zum Arzt, der Deutsche 18 Mal. Dennoch habe der Schweizer eine höhere Lebenserwartung. Wiedemann, ans Publikum gewandt: „Es liegt auch an Ihnen.“

© Gmünder Tagespost 11.05.2012
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